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Vom Wassertropfen zur Wolke: die Evapotranspiration

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Die Evapotranspiration ist der Wasseraustausch zwischen der Erdoberfläche und der Atmosphäre. Bei grosser Hitze ist sie besonders wichtig, denn sie trägt dazu bei, dass sich Niederschläge verändern oder Böden und Wasserquellen austrocknen. Doch wie kann man die Evapotranspiration langfristig messen?

Figure 1 : Influence, parmi d’autres facteurs, de l’évapotranspiration sur les niveaux d’eau
Immagine: Nina Genné

Text: Nina Genné und Isabelle Werner (Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz)

Wer sich im letzten Sommer darauf gefreut hatte, im Lac des Brenets (NE) zu baden, wurde enttäuscht. Denn im Juli 2023 sank der Pegel des Doubs, der den See speist, durchschnittlich um 18 cm pro Tag, an dem es nicht regnete.1 Dies hatte zur Folge, dass auch der Wasserstand des Sees drastisch sank. Dieses Phänomen tritt immer häufiger auf, wenn der Jura von sommerlichen Trockenheitsperioden betroffen ist, wie es in den letzten Jahren der Fall war. Doch wohin verschwindet das Wasser aus dem See?

Das Wasser verschwindet nicht, es verdunstet. Obwohl geologische Verwerfungen, Karstaustritte und Trockenheit den See austrocknen,1 spielt noch ein anderer Prozess eine Rolle (siehe Abb. 1). Von der Sonne erwärmt, teilen sich die Moleküle des Wassers und entweichen in die Atmosphäre, was zur Senkung des Seespiegels beiträgt. Diese Umwandlung des Wassers von seinem flüssigen in den gasförmigen Zustand wird als Verdunstung bezeichnet.

Von flüssig zu gasförmig

Wissenschaftlich verwendet man den Begriff Evapotranspiration. Er umfasst das von der Wasser- und Bodenoberfläche (Verdunstung) und jenes von der Vegetation abgegebene Wasser (Transpiration).2 Eine Eiche zum Beispiel transpiriert durchschnittlich 1000 Liter Wasser pro Tag.3 Neben Niederschlag, Kondensation und Abfluss ist die Evapotranspiration eine der grundlegenden Komponenten des Wasserkreislaufs. Das Wasser fliesst ab, verdunstet, bildet Wolken und fällt dann als Regen wieder herunter.

Das Austrocknen des Sees spiegelt die Wasserverarmung der umliegenden Böden wider. Bei weniger Niederschlag und mehr Sonne im Sommer steigt die Evapotranspiration und lässt die Böden austrocknen.2 Ohne Klimaschutzmassnahmen prognostizieren die CH2018-Klimaszenarien bis 2085 ein zusätzliches Defizit von durchschnittlich einem Liter pro Quadratmeter und Tag während des Sommers in der Schweiz.4 Entsprechende Kenntnisse über die Evapotranspiration sind somit entscheidend, um den Wasserbedarf beispielsweise in der Landwirtschaft besser abschätzen zu können. Die Anpassung der Bewässerungspraxis und -Infrastruktur, z. B. zur Wasserspeicherung, wird angesichts von Sommerdürren ortsspezifisch notwendig werden.5 Langfristig ermöglichen es Erhebungen der Evapotranspiration, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserreserven besser zu verstehen.6

Kontinuierliche Langzeitüberwachung

Langfristige und systematische Messungen dieser Variable sind folglich wichtig. Das Programm «Global Climate Observing System» (GCOS) mit nationalen Anlaufstellen in 130 Ländern zielt darauf ab, eine systematische und qualitativ hochwertige Klimabeobachtung sicherzustellen. Alle klimarelevanten Beobachtungen und Informationen sollen systematisch erfasst und allen Nutzenden verfügbar gemacht werden. Zu diesem Zweck wurden 55 essentielle Klimavariablen (Essential Climate Variables, ECVs) festgelegt. In der Schweiz werden qualitativ hochwertige Daten zu 34 ECVs erhoben (siehe Abschnitt «GCOS kurz erklärt» unten). Dazu gehört auch die Evapotranspiration.

Die Evapotranspiration wird in der Schweiz lokal mit Lysimetern oder mit Hilfe der Eddy-Covariance-Technik (EC) gemessen. Ein Lysimeter ist ein grosser, durchlöcherter Behälter, der im Boden vergraben, mit Erde gefüllt und mit Gras bedeckt wird (siehe Abb. 2, links). «Um die Evapotranspiration zu schätzen, wird das Gewicht des durchlöcherten Behälters kontinuierlich mit einer Waage gemessen», erklärt Vincent Humphrey, Klimatologe bei MeteoSchweiz und verantwortlich für die nationale Überwachung von Trockenheit. Wenn es regnet, nimmt das Gewicht des Behälters zu. Wenn das Wasser verdunstet oder in den Grundwasserspiegel abfliesst, nimmt sein Gewicht ab. «Dank der Messung des Wasserabflusses am Boden des Behälters kann die Evapotranspiration als verbleibende Differenz isoliert werden», sagt Vincent Humphrey. Da der Gewichtsverlust des gesamten Behälters grösser ist als die Menge an Wasser, die von ihm abfliesst, entspricht diese Differenz der Evapotranspiration.

Eine weitere Methode ist die Eddy-Covariance-Technik (EC). «Man verwendet ein Gerät, das mit einem sogenannten Ultraschall-Anemometer die Bewegung eines Luftpakets misst und mit einem Gasanalysator den Wassergehalt in demselben Paket quantifiziert», führt Vincent Humphrey aus (siehe Abb. 2, rechts). Diese beiden Messungen zusammengenommen ermöglichen beispielsweise die Erkenntnis, dass eine Luftmasse durchschnittlich feucht sein kann, wenn sie aufsteigt, und trockener, wenn sie absinkt. Zusätzlich kann die Evapotranspiration mithilfe von Satelliten geschätzt werden, die die Sonneneinstrahlung und die Oberflächentemperatur messen. Die Sonnenenergie wird nicht vollständig zur Erwärmung der Oberfläche genutzt. Anhand der Differenz zwischen diesen beiden Werten lässt sich die Energiemenge schätzen, die durch die Evapotranspiration genutzt wird. Diese Messtechnik ist jedoch begrenzt. Beispielsweise können Satellitenbeobachtungen durch Bewölkung behindert werden.

Lange Messreihen in der Schweiz

Die Schweiz verdankt ihre längste Messreihe der Evapotranspiration dem Lysimeter des Forschungsgebiets Rietholzbach im Kanton St. Gallen. Es wird seit 1975/76 von der ETH Zürich betrieben, wurde ursprünglich vom Laboratory of Hydraulics, Hydrology and Glaciology (VAW) erbaut7 und wird seit 2007 vom Institute for Atmospheric and Climate Science (IAC) betreut.8 Mit dem Abschluss der Installation von 72 Lysimetern am Standort Zürich-Reckenholz im Jahr 2009 entstand bei Agroscope die grösste Lysimeteranlage Europas.9 Das Swiss FluxNet der ETH Zürich (IAS)10 untersucht die Evapotranspiration durch EC-Messung seit 1997 im Seehornwald und verfügt über fünf weitere Langzeit- und drei projekt-basierte Standorte in der Schweiz. Insgesamt wird die Evapotranspiration an rund einem Dutzend Grasland-, Acker-, Wald-Standorten gemessen.

Der Wasserstand des Lac des Brenets stieg im September 2023 wieder an. Wie von MeteoSchweiz vorhergesagt, füllten Regenfälle die Reserven des Sees rasch wieder auf und erhöhten den Wasserstand im Durchschnitt um 10 cm pro Stunde.11 So kehrte schliesslich das Wasser zum Lac des Brenets zurück und veranschaulichte auf diese Weise die Vollführung des Wasserkreislaufs.

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GCOS kurz erklärt

Das Global Climate Observing System (GCOS) ist ein internationales Programm mit dem Ziel, qualitativ hochwertige Klimabeobachtungen aus der ganzen Welt allen interessierten Nutzerinnen und Nutzern zugänglich zu machen. Das Schweizer Klimabeobachtungssystem – GCOS Schweiz – setzt dieses globale Programm auf nationaler Ebene um. GCOS Schweiz baut auf der Arbeit von 29 Partnerinstitutionen auf und wird vom Swiss GAW/GCOS Office am Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) koordiniert.

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Referenzen

[1] RTS Radio Télévision Suisse (2023). Schifffahrt ab Samstag auf dem Lac des Brenets aufgrund von Wassermangel unterbrochen. Neuchâtel. https://www.rts.ch/info/regions/neuchatel/14190215-navigation-interrompue-des-samedi-sur-le-lac-des-brenets-en-raison-du-manque deau.html#:~:text=Der%20lac%20des%20Brenets%20%C3%A9tant,und%20a%20dur%C3%A9%20zwei%20Monate.

[2] Bundesamt für Umwelt (englisch). (2021). Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweizer Gewässer. Bern. https://www.bafu.admin.ch/bafu/fr/home/themes/eaux/publications/publications-eaux/effets-des-changements-climatiques-sur-les-eaux-suisses.html

[3] Office National des Forêts (Nationales Forstamt). (2022). Die Macht der Bäume: Evapotranspiration. Paris. République française. https://www.onf.fr/vivre-la-foret/+/14a1::le-pouvoir-des-arbres-levapotranspiration.html

[4] NCCS. (2018). CH2018 - Climate Scenarios for Switzerland. National Centre for Climate Services. Zürich.https://www.nccs.admin.ch/nccs/en/home/the-nccs/priority-themes/ch2018-climate-scenarios.html

[5] Steinemann M., Kaufmann S., Zimmermann M. (2023). Impluse für eine klimaangepasste Schweiz. Bundesamt für Umwelt. BAFU. https://www.nccs.admin.ch/dam/nccs/de/dokumente/website/massnahmen/Pilotprogramm/UI-2307-D_Abschl_Pilotprogramm-Klima.pdf.download.pdf/UI-2307-D_Abschl_Pilotprogramm-Klima.pdf

[6] Eisenring S., Holzkämper A., Calanca P. (2021). Berechnung der Bewässerungsbedürfnisse unter aktuellen und zukünftigen Bedingungen in der Schweiz. Agroscope. Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Zürich.

[7] Laboratory of Hydraulics, Hydrology and Glaciology (VAW). ETH Zürich. Rietholzbach Research Catchment. Zürich. https://vaw.ethz.ch/en/

[8] Institute for Atmospheric and Climate Science (IAC). Rietholzbach Research Catchment. ETH Zürich. https://iac.ethz.ch/group/land-climate-dynamics/research/rietholzbach.html

[9] Agroscope. (2021). Lysimeter - der Boden von unten gesehen. Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Reckenholz. https://www.agroscope.admin.ch

[10] Swiss FluxNet. Institute of Agricultural Sciences (IAS). Grassland Sciences Group. ETH Zürich. https://www.swissfluxnet.ethz.ch

[11] Loisirs.ch - Westschweizer Geheimtipps für die ganze Familie (2023). Der Lac des Brenets steigt aus seiner Asche auf. https://www.loisirs.ch/actualites/31460/le-lac-des-brenets-renait-de-ses-cendres

Figure 2 : Représentation de lysimètres (gauche) et d’un appareil de mesure d’Eddy Covariance (droite)
Figure 2 : Représentation de lysimètres (gauche) et d’un appareil de mesure d’Eddy Covariance (droite)Immagine: Nina Genné

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